Wer heilt hier eigentlich wen?

Ein Text über Projektion, Macht und das große Missverständnis von Heilung

Ich sehe es oft.
Dieses Leuchten in den Augen, kurz bevor jemand zusammenbricht.
Diese heilige Hoffnung, dass ich etwas in mir trage, das sie befreien kann.
Ein Wort. Eine Berührung. Eine Zeremonie.
Und dann… Ruhe.
Für einen Moment.

Doch was, wenn genau das der Anfang eines neuen Käfigs ist?

Du glaubst, ich heile dich.
Ich glaube manchmal, ich könnte es wirklich.
Und schon sind wir gefangen – du in der Hoffnung, ich in der Rolle.

Heilung wird zur Bühne.
Zur stillen Vereinbarung, dass du zerbrochen bist und ich ganz.
Dass du suchst und ich weiß.
Dass du unten bist und ich oben.

Bullshit.

Ich bin kein Lehrer.
Ich bin kein Gefäß.
Ich bin manchmal nicht mal ein Mensch, auf den du dich verlassen solltest.
Ich habe mich selbst schon vergessen in Räumen, in denen ich andere begleiten wollte.
Ich habe meine Wahrheit geopfert für das Bedürfnis, gebraucht zu werden.
Und das fühlt sich an wie Verrat – nicht an dir, sondern an mir.

Weißt du, was das Schlimmste ist?
Wenn du mir dankst, obwohl du es selbst warst.
Wenn du sagst, ich hätte dich verändert, obwohl du es warst, die sich endlich getraut hat zu fühlen.
Und ich nicke, schweige, lächle.
Weil ein Teil von mir dieses Gefühl genießt.
Weil es bequem ist, auf einem Sockel zu stehen.
Und weil es gefährlich ist, ehrlich zu sagen:
„Ich weiß es nicht. Ich bin auch nur auf dem Weg.“

Wer heilt hier eigentlich wen?

Vielleicht heilt niemand.
Vielleicht sitzen wir einfach nur zusammen in einem Raum,
halten die Spannung aus
zwischen deinem Schmerz und meiner Ohnmacht,
zwischen deinem Mut und meiner Angst,
zwischen allem, was gesagt wird
und dem, was niemand sagen kann.

Und vielleicht…
ist genau da das Tor.

Nicht in der Technik. Nicht im Ritual.
Sondern in dem Moment, wo zwei Menschen aufhören, sich zu verstecken.
Wo ich nicht dein Fels sein muss.
Und du nicht mein Fall.

Wenn du mich fragst, wer heilt –
dann sage ich dir:
Nur das, was gesehen wird.
Echt. Unverstellt.
Nicht du. Nicht ich. Sondern das, was sich dazwischen zeigt,
wenn keiner mehr etwas sein will.

Cle
https://kambo-vechta.de

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