Spiritualität mit Preisschild – Warum wir über Kolonialisierung im Wellness-Mantel sprechen müssen
Es wirkt auf den ersten Blick harmlos: Retreats in tropischen Ländern, Kakaozeremonien mit Blick aufs Meer, „Soul Mentorships“ für 10.000 Euro. Spirituelle Versprechen in ästhetischem Gewand. Transformation als Dienstleistung. Heilung auf Raten. Und irgendwann fragt man sich:
Was ist das hier eigentlich geworden?
Die sogenannte New-Age-Spiritualität hat sich in weiten Teilen zu einer milliardenschweren Industrie entwickelt – teuer, westlich dominiert, vom Markt regiert.
Es geht um High-Ticket-Produkte, um Exklusivität, Status und Reichweite. Und während alte Traditionen neu verpackt und inszeniert werden, werden genau die Gemeinschaften ausgeschlossen, aus denen dieses Wissen stammt.
Viele spirituelle Lehrer*innen sprechen von Energie und Licht, aber vermeiden dabei vor allem eines: echte innere Arbeit.
Sie umgehen ihre eigenen Traumata.
Sie meiden emotionale Tiefe.
Sie übernehmen keine Verantwortung – sondern reden sich raus mit „Schwingung“ oder „Manifestation“.
Und während sie öffentlich von Bewusstsein sprechen, nehmen sie gleichzeitig teil an einer neuen Form von Kolonialisierung.
Denn sie kaufen Land in Bali, Costa Rica oder Koh Phangan.
Sie bauen Resorts, in denen nur westliche Stimmen zu hören sind.
Sie verdrängen Einheimische aus ihren Häusern – mit Preisen, die keiner vor Ort zahlen kann.
Und profitieren still von fremdem Land, kulturellem Erbe und der Schönheit exotischer Orte.
Das ist keine spirituelle Praxis.
Das ist wirtschaftliche Ausbeutung im Namen der Erleuchtung.
Und wehe, man spricht das aus.
Dann heißt es: „Du hast eine niedrige Frequenz.“
Aber das ist kein Erwachen.
Das ist Bypassing – mit einem Preisschild.
Natürlich gibt es auch echte Lehrer*innen. Menschen, die diese Arbeit mit Demut, Tiefe und Hingabe tun.
Aber sie gehen oft unter im Lärm der glitzernden Versprechungen.
Denn plötzlich geht es nicht mehr um Transformation, sondern um Aufstieg.
Nicht um Gemeinschaft, sondern um Branding.
Nicht um Solidarität, sondern um individuellen Gewinn.
Und genau hier liegt das Problem.
Denn Spiritualität war nie dafür gedacht, ein Luxusgut zu sein.
Wachstum ist kein Produkt.
Verbindung ist nicht käuflich.
Wahre Tiefe lässt sich nicht zertifizieren.
Zwischen all den Labels, Techniken und importierten Ritualen übersehen viele, dass Spiritualität nichts mit Trends zu tun hat.
Sie braucht keine Retreat-Villa.
Keine Limited Edition Kakaozeremonie.
Keine goldene Einweihung.
Sie braucht:
Hingabe.
Ehrlichkeit.
Demut.
Und den Mut, wirklich hinzuschauen – auch auf das Unbequeme.
Spiritualität bedeutet Verbindung.
Zur Erde. Zur Gemeinschaft. Zur eigenen Wahrheit.
Und sie wächst dort, wo Menschen sich gegenseitig achten, stützen, halten.
Nicht dort, wo das meiste Geld fließt.
An alle Kolleg*innen:
Möge unsere Arbeit niemals zum Vorwand werden, andere auszugrenzen.
Möge sie nicht zur Bühne für unser Ego werden.
Möge sie uns immer wieder erinnern:
Dass wahre Spiritualität nicht im Profit liegt,
sondern in der Art, wie wir einander begegnen.
Mit Respekt.
Mit Menschlichkeit.
Mit echtem Miteinander.
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