Spirituelle Ethik – Wer schützt eigentlich die Klienten?
Es gibt sie überall:
Zertifikate. Ethikrichtlinien. AGBs.
Fast jeder nennt sich heute „integrer Raumhalter“, „traumasensibel“ oder „bewusst in der Begleitung“.
Aber Papier ist geduldig. Worte auch.
Und niemand fragt:
Wer schützt eigentlich die Klient*innen – wenn’s ernst wird?
Denn in der spirituellen Szene, wo alles fließt, wo vieles nicht reguliert ist,
ist es leicht, sich hinter Intuition, Energien oder Ahnen zu verstecken.
„Ich hab nur gehalten, was da war.“
„Die Seele hat sich das ausgesucht.“
„Das war deine Projektion.“
Sätze wie Nebelgranaten.
Sprachlich weich – und doch brutal.
Wer begleitet, hat Macht. Punkt.
Egal wie sanft der Ton.
Du sitzt dem anderen gegenüber, oft in einer Ausnahmesituation.
Er bringt dir seine tiefsten Wunden. Seine Angst. Sein Vertrauen.
Und was machst du damit?
Zu oft sehe ich Begleiter*innen, die keine Supervision haben.
Keine Selbsterfahrung. Keine echte psychologische Schulung.
Aber Rituale leiten, Ahnen aufstellen und mit Traumaenergie arbeiten wollen.
Und wenn was kippt?
Dann wird geschwiegen. Abgewiegelt. Gaslightning deluxe – spirituell verpackt.
Was fehlt? Verantwortung.
Und ein kollektives Bewusstsein dafür, wie verletzlich Menschen in Prozessen wirklich sind.
Wie schnell man zu viel macht. Zu schnell. Zu tief.
Wie oft Körper in Dissoziation gehen, weil Räume nicht gehalten werden – sondern überfordert.
Es geht nicht darum, jemanden zu kontrollieren.
Es geht darum, Menschen zu schützen.
Die, die sich dir anvertrauen.
Die, die still weinen.
Die, die nach einer Session nicht mehr wissen, wo oben und unten ist.
Spiritualität ist kein rechtsfreier Raum.
Begleitung ist kein Ort für Selbstdarstellung.
Und Heilräume sind keine Bühne.
Wenn du berührst – verbal, energetisch, körperlich – dann brauchst du ein Bewusstsein dafür, was das auslöst.
Nicht nur in Licht und Liebe, sondern auch in Scham, Regression, Retraumatisierung.
Spirituelle Ethik heißt:
– Du kennst deine Grenzen.
– Du weißt, wann du überfordert bist.
– Du hast Strukturen – für Krisen, für Abbrüche, für Nachsorge.
– Du begleitest nicht über deinen Schatten hinweg.
– Du bist in Supervision. In Demut. Im ständigen Lernen.
Denn diese Arbeit ist nicht nur „heilig“.
Sie ist anspruchsvoll.
Verantwortungsvoll.
Und manchmal verdammt schwer.
Und jetzt mal ehrlich:
Wann hast du das letzte Mal deine eigene Arbeit kritisch hinterfragt?
Nicht aus Angst. Sondern aus Liebe – zu denen, die sich dir zeigen.
Und zu dir selbst.
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